Stellungnahme der Fakultät für Sozialwissenschaften zu aktuellen Ereignissen an der Universität Wien

02.05.2016

Der Verfassungsschutz hat Anfang Mai über einen dramatischen Anstieg bei rechtsextrem motivierten Delikten berichtet. Spätestens in den letzten Wochen hat diese Entwicklung deutlich sichtbar auch die Universität Wien erreicht: Im April wurde im Audimax die Theater-Aufführung "Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene" von der rechtsextremen Identitären Bewegung angegriffen, wenige Wochen zuvor störten korporierte Studenten zwei Vorlesungen im Neuen Institutsgebäude. Zuletzt wurden von der Studierendenvertretung der Fakultäten für Sozialwissenschaften sowie Philosophie und Bildungswissenschaften genutzte Räumlichkeiten mit einschlägigen rechtsextremen Schmierereien versehen. Diese Vorfälle überschreiten zweifelsohne jegliche Grenze einer sonst an der Universität gepflegten Meinungsvielfalt.

Die Fakultät für Sozialwissenschaften beobachtet diese Entwicklung mit großer Besorgnis und nimmt sie zum Anlass deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass rechtsextremes und neofaschistisches Gedankengut an der Universität Wien keinen Platz hat. Die Institutionen und Angehörigen der Universität Wien sind aufgefordert derartigen Übergriffen aktiv entgegenzutreten!

Im Jahr 2015 hat die Universität Wien ihr 650-jähriges Bestehen gefeiert. Ein wichtiger Bestandteil der Feierlichkeiten war der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart der Universität und ihre Rolle in der Gesellschaft. In einer Vielzahl von Veranstaltungen, in Ausstellungen und Publikationen wurde an jene Angehörigen der Universität Wien erinnert, die Gewalt und Verfolgung ausgesetzt waren. Gleichzeitig wurde schmerzlich bewusst gemacht, wie sehr die Universität und Universitätsangehörige auch Mitwirkende in der Wegbereitung für Faschismus und Nationalsozialismus waren. Dabei wurde nicht zuletzt thematisiert, wie schwer es der Universität Wien gefallen ist, ihre Rolle im Nationalsozialismus aufzuarbeiten und Verantwortung dafür zu übernehmen.

Verantwortung zu übernehmen impliziert für die Wissenschaften, ihre eigene Rolle und Position in der Gesellschaft zu reflektieren. Als Angehörige der Fakultät für Sozialwissenschaften ist es uns ein besonderes Anliegen darauf hinzuweisen, dass die Wissenschaft nicht außerhalb der Gesellschaft steht, sondern nur im Rahmen derselben stattfinden kann. Universitäten waren und sind daher immer auch ein gesellschaftlich und politisch umkämpftes Feld. Dies anerkennend spricht sich die Fakultät für Sozialwissenschaften dafür aus, rechtsextremen Übergriffen und dem ihnen zu Grunde liegendem Gedankengut klar entgegenzutreten. Der zunehmenden Akzeptanz solcher Positionen bis weit in die sogenannte "Mitte der Gesellschaft" hinein kann nur von einer gesellschaftspolitischen Position aus begegnet werden, die in der Lage ist, Rechtsextremismus in seinen vielen Formen zu erkennen und die bereit ist, ihm die Stirn zu bieten. In diesem Sinne ersuchen wir darum, der Fakultätsleitung einschlägige Vorfälle zur Kenntnis zu bringen und sichern unsere Unterstützung zu, klar gegen solches Gedankengut auf allen uns möglichen Ebenen einzutreten.

Im Namen der Fakultät für Sozialwissenschaften.

Ulrike Felt, Dekanin

Wien, Mai 2016