Perceptions and Imaginations of Obesity
as a Socio-scientific Problem in the Austrian Context
Projektleitung: Ulrike Felt; Projektmitarbeiter*innen: Kay Felder, Theresa Öhler, Michael Penkler
BMWF/GEN-AU - 03/2009-03/2012
Hintergrund - Übergewicht und Adipositas als wissenschaftliche und gesellschaftliche Probleme
Sowohl im politischen Bereich wie auch in der Öffentlichkeit werden Übergewicht und Adipositas zunehmend als gesundheitliche Probleme thematisiert. Sie erscheinen dabei überwiegend als drängende soziale Probleme, die ein entschlossenes Handeln notwendig machen, wie es auch der von der WHO 2004 geprägte Begriff einer „globalen Epidemie“ nahelegt. Das öffentliche Gesundheitsprogramm der EU widmet sich ebenfalls dem „Problem Adipositas“ und setzt bei Ernährung und körperlicher Aktivität an. Der erste österreichische Adipositasbericht, 2006 erschienen, schließt sich dabei jenen Stimmen an, die ein entschlossenes Handeln fordern. Zunehmende Werbungen für neue Medikamente und eine wachsende Anzahl öffentlicher Veranstaltungen, die BürgerInnen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit ihren Körpern erziehen wollen, sind die jüngsten Entwicklungen.
In diesem Zusammenhang spielen wissenschaftliches Wissen und techno-wissenschaftliche Innovationen eine Schlüsselrolle. Sie legen zu einem Großteil fest, was als „das Problem“ zu sehen ist, wie es behandelt werden soll und was mögliche Lösungen sein können. Gleichzeitig sind Schlüsselfragen wie etwa was als gesunder Lebensstil gilt, aber auch biomedizinische und genetische Erklärungen des Körpers notorisch umstritten. Unterschiedliche AkteurInnen von LebensstilberaterInnen über ForscherInnen bis zu ÄrztInnen beanspruchen Definitionsmacht über „das Phänomen“ und Expertise in Bezug auf die zu setzenden Handlungen. Dabei sind unsere Mittel und Wege, Phänomene zu erkennen und zu erklären, untrennbar mit kulturellen, historischen und politischen Zusammenhängen verbunden. Dies gilt insbesondere auch für unsere Wahrnehmungen des menschlichen Körpers. Probleme wie Übergewicht oder Adipositas sind nicht einfach „irgendwo da draußen“, sondern werden gemeinsam mit ihren möglichen Lösungen in einem komplexen Interaktionsprozess wissenschaftlicher und gesellschaftlicher AkteurInnen „ko-produziert“.
Projektziele – die Ko-Produktion von Übergewicht und Adipositas verstehen
Um ein tieferes Verständnis dieses Prozesses der Ko-Produktion zu entwickeln, untersucht das Projekt die unterschiedlichen Weisen, wie Übergewicht und Adipositas in verschiedensten Bereichen vom Labor über die Politik bis hin zum Alltag konzeptualisiert, imaginiert und behandelt werden. Um das zu erreichen, werden wir zunächst die Vielfalt gesellschaftlicher Einstellungen zu Übergewicht analysieren. Dabei werden wir unser Hauptaugenmerk darauf richten, wie Medien, EntscheidungsträgerInnen und BürgerInnen das Problem konstruieren, verstehen bzw. ihm einen Sinn verleihen und sich dabei auf unterschiedliche Formen von Wissen und Expertise beziehen. In einem zweiten Schritt werden wir die vielfachen Weisen, in denen sich verschiedene Arten der Genomforschung dem Phänomen Adipositas und damit verbundenen Körperfunktionen nähern, untersuchen.
Schlussendlich wollen wir die Analysen der verschiedenen Bereiche zusammenbringen, indem wir danach fragen, wie spezifische Wissensformen und Behauptungen mehr Stellenwert in der Rahmung eines gesellschaftlichen Problems wie Übergewicht erhalten, wie unterschiedliche Wissensformen in unterschiedlichen Bereichen zueinander in Beziehung stehen und was als öffentlicher Beweis gelten kann.
Methodische Herangehensweise
Um die Ko-Produktion von wissenschaftlichem Wissen und bestimmten Wahrnehmungen von Übergewicht und Adipositas zu untersuchen, arbeiten wir mit einer Kombination sozialwissenschaftlicher Methoden:
- Fokusgruppen mit BürgerInnen
- Qualitative Interviews mit ausgewählten TeilnehmerInnen der Fokusgruppen
- Qualitative, semi-strukturierte Interviews mit ForscherInnen, LebensstilberaterInnen und VetreterInnen des öffentlichen Gesundheitswesens
- Analyse österreichischer Nachrichtenmedien, um den öffentlichen Diskurs in Bezug auf Übergewicht und Adipositas nachzuzeichnen
- Analyse relevanter policy-Dokumente aus dem österreichischen und EU - Kontext
Reflexion anregen und ermöglichen – Zur transdisziplinären Relevanz des Projekts
Über diese wissenschaftlichen Ziele hinaus will das Projekt einen Beitrag zu einer breiteren gesellschaftlichen Reflexion und Disskussion der Konstruktion von Übergewicht und Adipositas als öffentliche Gesundheitsprobleme und des gesellschaftlichen Umgangs damit leisten. Das bedeutet ebenfalls, mit WissenschafterInnen und EntscheidungsträgerInnen die Vielfalt unterschiedlicher Vorstellungen über Übergewicht und Adipositas, die wir in den Fokusgruppen gemeinsam mit BürgerInnen entwickelt haben, zu teilen und zu reflektieren.
Netzwerk
Das Projekt ist Teil eines Forschungskonsortiums zu „Genomics Of Lipid-Associated Disorders“ (GOLD III).
Kontakt
Ulrike Felt
eMail: obesity.wissenschaftsforschung@univie.ac.at
Tel: +43-1-4277-49611