Living Changes in the Life Sciences

Tracing the »Ethical« and the »Social« within Scientific Practice and Work Culture

ProjektmitarbeiterInnen: Ulrike Felt, Joachim Allgaier, Kay Felder, Maximilian Fochler, Ruth Müller, Stefan Treiblmayr

BMWF/GEN-AU/ELSA - 09/2007-12/2010

Lebenswissenschaften in der Gesellschaft - Gesellschaft in den Lebenswissenschaften?


Unter dem Titel “Science under attack” beschreibt ein Editorial der Zeitschrift Nature im Jahr 2006 wie aktuelle politische Kontexte zunehmend in den Kern wissenschaftlicher Aktivitäten vordringen. “Am heutigen wissenschaftlichen Arbeitsmarkt, ist es nicht mehr genug, einfach nur gute Wissenschaft zu machen.” stellt Science im Jahr davor fest und nimmt damit auf die vielfältigen Herausforderungen Bezug, die eine wissenschaftliche Karriere heutzutage mit sich bringt. Bereits 2003 betont der Vorsitzende der „American Association for the Advancement of Science“ (AAAS) wie wichtig es ist, nicht nur die Vorzüge von Wissenschaft aufzuzeigen, sondern auch ihre “Grenzen, Gefahren, und Fallen” und damit in einer offeneren Weise die Realitäten wissenschaftlicher Forschungsarbeit und ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft anzusprechen.
Im Gespräch mit LebenswissenschaftlerInnen betonen diese häufig, dass sich zwar die Rahmenbedingungen ihrer Forschung rasch verändern würden. Die Art und Weise, wie sie Wissen produzieren, werde von diesen Änderungen allerdings nur wenig berührt. Zentrale Arbeiten der Wissenschaftsforschung haben allerdings gezeigt, dass Änderungen der Rahmenbedingung auch den epistemischen Kern eines wissenschaftlichen Feldes, also die grundsätzliche Art und Weise wie dort Wissen produziert wird, verändern können. Innerhalb der ELSA Forschung (Ethical, Legal and Social Aspects of...) gibt es allerdings bisher kaum Studien darüber, auf welchen subtilen und komplexen Wegen dies stattfindet.

Projektziele – Den Wandel nachzeichnen

Die Ausgangshypothese des Projekts ist, dass aktuelle ethische und gesellschaftliche (soziale, ökonomische und rechtliche) Überlegungen zunehmend die Kultur und Praxis der Forschung in den Lebenswissenschaften verändern. Das zentrale Ziel des Projekts ist es daher, den Prozess der Ko-Produktion von Gesellschaft und Lebenswissenschaften (Jasanoff 2004) nachzuzeichnen und besser zu verstehen. Der Fokus liegt dabei auf den qualitativen Veränderungen in Forschungskultur und Wissensproduktion. Anhand von sechs Fragenkomplexen wollen wir sichtbar machen, in welcher Weise „Gesellschaft“ in den Lebenswissenschaften präsent ist.

  • Wie werden Arbeitskulturen in den Lebenswissenschaften von ForscherInnen/ WisenschaftlerInnen beschrieben?
  • Wie nehmen LebenswissenschaftlerInnen ihre Forschungslandschaft wahr?
  • Wie findet Sozialisation innerhalb der „scientific community“ statt?
  • Wie wirken institutionelle Rahmenbedingungen auf Forschungspraxis und Forschungsfragen?
  • Welche Themen sind im öffentlichen Diskurs rund um die Lebenswissenschaften präsent?
  • In welcher Art und Weise ist Gender als querliegende Kategorie in Erzählungen über wissenschaftliche Arbeitskultur und Praxis anwesend?


Innerhalb dieser Fragestellungen liegt der zentrale Fokus auf der Rolle sozialer und ethischer Aspekte – etwa öffentlichen oder medialen Diskussionen zu ethisch sensiblen Bereichen wie der Stammzellenforschung oder der grünen Biotechnologie – und ihrem Einfluss auf individuelle Biographien und die wissenschaftliche Praxis.

Methodischer Ansatz

Um den strukturellen Wandel in der Kultur und Praxis der Lebenswissenschaften im Kontext individueller Erzählungen nachvollziehen zu können, arbeiten wir mit einer Kombination verschiedener Methoden:

  • Qualitative biographische Interviews mit ForscherInnen,
  • teilnehmende Beobachtungen in 4-6 Labors,
  • eine Analyse von Publikations- und Kooperationsmustern,
  • eine Analyse von Curricula, die zeigen soll, welche Rolle soziale und ethische Themen in der Sozialisation von LebenswissenschaftlerInnen spielen,
  • eine Analyse von wissenschaftspolitischen Dokumenten,
  • eine Medienanalyse um einen Überblick über zentrale Themen der öffentlichen Diskussion zu bekommen,
  • sowie Fokusgruppen, die als Element partizipativer Forschung dazu dienen, Feedback der WissenschafterInnen einzuholen und unsere Forschung zu validieren.

Reflexion anregen und ermöglichen – Zur transdiziplinären Relevanz des Projekts

Wir wollen Räume eröffnen, in denen eine detaillierte und systematische Reflexion der momentanen Entwicklungen in den Lebenswissenschaften möglich wird und binden daher die „scientific community“ so früh wie möglich in die Forschungsprozesse des Projekts ein. Ein wichtiger Output des Projekts wird schließlich ein ergänzendes Lehrmodul für die Lebenswissenschaften sein, das eine reflexive Auseinandersetzung mit ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten des Feldes fördern soll.

Netzwerk

Wir arbeiten mit einem beratenden Netzwerk an österreichischen LebenswissenschaftlerInnen zusammen und werden von den renommierten ExpertInnen der Wissenschaftsforschung unseres "International Advisory Boards" unterstützt.


International Advisory Board

  • Prof. Pierre-Benoit Joly, INRA, Frankreich
  • Prof. Mike Michael, Goldsmith College London, UK
  • Prof. Helga Nowotny, Europäischer Forschungsrat und WWTF, Wien