Die Biowissenschaften als Kultur und Praxis neu denken
Spuren von "Ethik" und "Gesellschaft" in der Genomforschung (GOLD II)
BMBWK/GEN-AU 03/2006-06/2007
ProjektmitarbeiterInnen: Ulrike Felt; Maximilian Fochler; Lisa Sigl
Projektlinks: gold.uni-graz.at
Hintergrund
Im Gespräch über den Wandel der Rahmenbedingungen ihrer Forschung betonen WissenschaflerInnen meist folgende Punkte: einen steigenden Wettbewerb um Forschungsmittel; die wachsende Notwendigkeit diese Mittel mit einer weiteren gesellschaftlichen Relevanz über das direkte wissenschaftliche Interesse hinaus zu rechtfertigen; die immer stärkeren Forderungen, explizit die sozialen und ethischen Implikationen ihrer Arbeit zu überdenken; die Anforderung ihre Forschungsergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren; sowie die sich verändernden Karriereperspektiven, insbesondere für jüngere ForscherInnen. Wenn man diese WissenschaftlerInnen jedoch fragt, wie sich diese Veränderungen auf ihre Forschungspraxis auswirken, auf die Organisation ihrer Arbeit, auf ihre Art und Weise zu schreiben, zu argumentieren und ihre Themen zu wählen, betonen sie generell, dass es keine wesentlichen Änderungen gegeben habe. Sie seien nach wie vor in der Lage, ihren Interessen zu folgen, und die sich verändernden Rahmenbedingungen würden lediglich zu leicht veränderten Organisations- und Argumentationsformen führen. Im Kontext historischer Entwicklungen und der Erkenntnisse der Wissenschaftsforschung, die gezeigt haben in welch subtiler und komplexer Weise externe Einflüsse den „epistemischen Kern“ wissenschaftlichen Forschens verändern können, erscheint es interessant, diese Aussagen näher zu hinterfragen.
Grundidee des Projekts
Die Grundhypothese dieses Projektes ist, dass ethische und gesellschaftliche Überlegungen graduell die momentane Kultur und Praxis der Genomforschung verändern. Ziel des Projektes ist es, die qualitativen Veränderungen, die die neuen Rahmenbedingungen in der Wissensproduktion und der Wissenschaftskultur bewirken, zu identifizieren und besser zu verstehen, sowie nachzuzeichnen in welcher Weise „Gesellschaft“ bereits in der Wissenschaft (konkret der Genomforschung) präsent ist. Die Ergebnisse dieser Studie sind im Sinne eines Reflexionsprozesses einerseits für die Scientific Community von Relevanz, aber auch für die Politik, um die Auswirkungen stärkerer Verbindungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft besser abschätzen zu können sowie für die Öffentlichkeit, die der Genomforschung derzeit mit einer gewissen Ambivalenz gegenübersteht. Hier soll unsere Forschung zu einem besseren Verständnis beitragen, dass auch die Grundlagenforschung in vielfältiger Hinsicht nicht mehr an den „Elfenbeinturm“ gebunden ist.
Methodischer Zugang
Das Projekt ist eine Pilotstudie mit dem Ziel eine erste Anzahl von Schlüsselelementen und –momenten im Forschungsprozess zu identifizieren, in denen soziale und ethische Überlegungen sichtbar werden. Ein weiteres zentrales Ziel ist, Methoden zu entwickeln mit denen diese Prozesse erforscht und sichtbar gemacht werden können. Konkret kombiniert diese Pilotstudie biographische Interviews mit innovativen Methoden der Erforschung und Visualisierung von Kooperationsmustern im wissenschaftlichen Feld. Außerdem werden Gruppendiskussionen als Feedbackinstrument sowie zur Validierung der ersten Ergebnisse dienen.